Greifvögel im Spannungsfeld zwischen jagdlichem und nichtjagdlichem Naturschutz – eine Analyse

Mit der anstehenden Novellierung des Jagdgesetzes NRW werden alle Greifvögel aus dem Jagdrecht verschwinden. Dies soll angeblich mehr Schutz für die Greifvögel bedeuten.

Betrachten wir uns das genauer:

Töten eines Greifvogels

11156736_1577184765871573_830889185_nStatt einer Straftat (Wilderei mit Schonzeitvergehen) ist das Töten eines Greifvogels nur noch eine Ordnungswidrigkeit (Töten eines geschützten Wirbeltieres). Das Strafmaß bei Verstößen gegen Arten, die ganzjährig geschont, aber im Jagdgesetz verankert sind, ist weitaus höher.

11180189_1577184865871563_464579810_nHier ein Beispiel:
Ein getöteter Wanderfalke, im Jagdgesetz ganzjährig geschont, wird nach § 292 StGB als Straftat mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, in besonders schweren Fällen (zur Nachtzeit, in der Schonzeit, nicht waidmännisch erlegt) sogar mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis fünf Jahren bestraft.
Der Steinkauz, besonders geschützt, wird nach § 44 BNatSchG (2009) behandelt. § 69 ahndet diese Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 50.000

Aufnahmerecht für jedermann

Nach Beschluss des Gesetztesentwurfs  darf jeder einen kranken Greifvogel aufnehmen, wie es bisher nicht der Fall war. Die Aufnahme eines Greifvogels  war aufgrund der Tatsache, dass sie jagdbares Wild waren, den Jagdausübungsberechtigten vorbehalten.

Dies klingt auf dem ersten Blick positiv, bedeutet es doch theoretisch dass jeder der einen kranken Vogel findet ihn einpacken darf und diesen bei der Auffangstation abgeben muss.

Nur:
Woran erkennt denn die nicht sachkundige Person einen kranken Greifvogel?

Die Symptome sind bereits für erfahrene Menschen im Umgang mit Greifvögeln fast unmöglich, Greifvögel versuchen als Wildtiere möglichst keine Verletzungen und Schwäche zu zeigen.

11157966_1577184875871562_1450876758_nWie unterscheidet sie, ob ein Vogel in der Ästlingsphase ist oder von den Eltern verlassen und deshalb per Hand aufgezogen werden muss?

Selbst Falkner haben bereits das Problem, dass Greifvögel kaum Symptome zeigen, wenn sie verletzt sind.
Viele nicht sachkundige Person neigen auch dazu, Greifvögel selbst zu behalten und auf zu ziehen (Beobachtung des Verfassers), und so wird man als Falkner unregelmäßig von nicht sachkundigen Personen angesprochen, welche verletzte oder junge Greifvögel aufgenommen haben, diese vollkommen falsch ernähren und behandeln und dann fragen, wie lange es dauern würde, bis diese wieder fliegen können.
Viele dieser Greifvögel sind zu diesem Zeitpunkt bereits durch die falsche Pflege in einem so schlechten Zustand, dass die einzige Lösung Einschläfern statt Auswildern ist, um dem Tier weiteres Leiden zu ersparen.

Gesundheitsbeurteilung

11116086_1577184779204905_1307247743_nEin weiteres Problem sind die Krankheiten, die ein Tier auf den Menschen übertragen kann. Bei Untersuchungen hat man unter anderem folgende Krankheiten bei Greifvögeln entdeckt, die auch auf den Menschen übertragbar sind:

Vogeltuberkulose, West-Nil-Fieber, Influenza A (Vogelgrippe), Ornithose (74% aller Wilden Greifvögel tragen die Erreger in sich) es wurden Tollwutantikörper bei Greifvögeln nachgewiesen, ebenso Milzbrand bei Aasfressern

Durch möglicherweise mit einer der Krankheiten infizierte Greife geht eine sehr starke Gefährdung für nicht sachkundigen Personen aus, die sich dabei mit teils schwer bis gar nicht behandelbaren Krankheiten infizieren und unter Umständen diese lange Zeit verschleppen bzw. weitere Personen infizieren können.

Ein weiteres Problem sind auch Giftstoffe bei Greifvögeln, die viele Menschen gar nicht als solche erkennen würden.

Ein aktuelles Beispiel: Diclofenac, ein in der Human- und Tiermedizin häfig eingesetztes NSAR (nicht steroidales Antirheumatikum), hat in Indien bei drei Geierarten in zehn Jahren 95% der Bestände zusammenbrechen lassen. Dies nur dadurch, dass damit Kühe behandelt wurden, deren Kadaver liegen gelassen wurden.

Es wird vermutet dass Diclofenac sich auch bei europäischen Adlerarten negativ auswirkt.
Diclofenac ist seit 2014 in der EU als Medikament in der Tiermedizin zugelassen.
0,25 mg/kg Körpergewicht wirken bereits tödlich.

Ebenso wird davon ausgegangen dass PCB-Weichmacher(Poly-chlorierte Biphenyle), Nebenprodukte der Industrie und wird in Abwässern, Abgasen und beim Müllverbrennen in die Natur entlassen, für Greifvögel gefährlich sind und unter Umständen ähnliche Probleme verursachen können wie damals einstmals DDT.

Es gibt über 200 verschiedene PCB`s, die ungefiltert in die Natur entlassen werden.
PCB führt zu einer erhöhten Embryonensterblichkeit, reichert sich im Eidotter an.

Methylquecksilber kann in den Eiern von Greifvögeln nachgewiesen werden, gerät über Abwasser in Fische und belastet damit besonders Fischadler und Seeadler.
Rattengift (Brodifacoum) tritt als Sekundärvergiftung auf, bei Greifvögeln die stark belastete tote Ratten gefressen haben.
Blei hat sich als hochgiftig für Greifvögel herausgestellt, was teilweise auch mit den Muskelmägen der Greifvögel zusammen hängt, wie in Versuchen bewiesen wurde.

Auswilderung

11180095_1577184852538231_1521102515_nGesundgepflegte Greifvögel benötigen mehrere Tage um wieder voll flugfähig zu sein. Für viele Tiere ein Todesurteil, wenn man diese einfach in die Natur entlässt, anstatt sie fachgerecht zu trainieren, sie langsam an die Jagd heran zu führen und unterstützend Flugtraining gibt, wie es in vielen sogenannten Auffangstationen passiert.
Die beste Methode um festzustellen ob ein Vogel für die Auswilderung bereit ist, ist diesen kurz abzutragen und zu fliegen.
So zeigt er am einfachsten ob er vollständig rehabilitiert ist oder einfach mehr Zeit benötigt.
Sie verwildern wieder innerhalb weniger Tage, weshalb diese Form der Rehabilitation kein Problem darstellt.

 

 

Nach Redig (1993) müssen folgende Dinge vor der Auswilderung überprüft werden:

  • Psychische Kondition, ist der Vogel in der Motivation um zu überleben?
  • Hämatologie, wie sind die Blutwerte, Mangelernährung?
  • Röntgenologische Beurteilung, sind Frakturen vorhanden?
  • Antiparasitäre Therapie, hat der Vogel irgendwelche Parasiten die ein Auswildern verbieten?
  • Trainingszustand, wie gut ist der Vogel konditioniert? Hat er die nötige Kraft um in Freiheit zu überleben?

Laut Holz et al. (2006) wurden in einem Experiment Wanderfalken und Habichte einerseits über eine Flugvoliere und andererseits über falknerisches Training besendert und ausgewildert.
Dabei zeigte sich dass sämtliche Wanderfalken und drei Viertel der Habichte nicht ausreichend auf ein Leben in freier Wildbahn vorbereitet waren.

11101164_1577184812538235_241685284_nFalknerisches Training ist jedoch sehr zeitaufwendig, was die meisten Auffangstationen nicht leisten können.
Allerdings wird eine Zusammenarbeit seitens des NABU und Auffangstationen mit Falknern auch aus politischen und ideologischen Gründen nicht durchgeführt.

Der Transport der Greifvögel ist ebenfalls kritisch zu sehen, in falschem Transportbehältnissen können den Vögeln schwere Gefiederschäden und ebenso Knochenbrüche beim Bremsen zugefügt werden.

Es hat sich herausgestellt, dass viel Wissen, wie es beispielsweise in der vom DFO geführten Auffangstation in Baden Württemberg vorhanden ist, in vielen anderen Auffangstationen fehlt, dies mag an fehlendem Fachpersonal liegen, evtl. aber auch daran, dass viele greifvogelmedizinische Zusammenhänge nicht akzeptiert werden wollen.

Ansprechpartner sollten unsere in den Falknerverbänden DFO, VDF und ODF zusammengeschlossenen Falkner sein und bleiben.

http://d-f-o.de/tl_files/downloads/Stellungnahme_der_drei_Falknerverbaende_zur_Resolution_der_Naturschutzverb.pdf

Quellen:
Mebs/Schmidt: Die Greifvögel Europas, Nordafrikas und Vorderasiens
Trommer :Greifvögel
Bednarek: Greifvögel
Heidenreich: Greifvögel, Krankheiten, Haltung, Zucht

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